Stimming, Overload, Meltdown und mehr: typische Symptome von Autismus-Spektrum- Störungen

Sind Sie oder eine Ihrer nahestehenden Personen von einer Autismus-Spektrum-Störung betroffen? Dann ist es wichtig zu verstehen, wie manche Zustände beziehungsweise Verhaltensmuster sich äußern und wie sie bezeichnet werden. Hier finden Sie einen Überblick der wichtigsten Begriffe zum Thema Autismus. Stereotypes Verhalten: Das sogenannte stereotype Verhalten (auch repetitives Verhalten) ist nach dem ICD-10 ein diagnostisches Merkmal […]

Sind Sie oder eine Ihrer nahestehenden Personen von einer Autismus-Spektrum-Störung betroffen? Dann ist es wichtig zu verstehen, wie manche Zustände beziehungsweise Verhaltensmuster sich äußern und wie sie bezeichnet werden. Hier finden Sie einen Überblick der wichtigsten Begriffe zum Thema Autismus.

Stereotypes Verhalten:

Das sogenannte stereotype Verhalten (auch repetitives Verhalten) ist nach dem ICD-10 ein diagnostisches Merkmal für tiefgreifende Entwicklungsstörungen, zu welchen Autismus zählt. Der Begriff bezeichnet sich wiederholende und festgefahrene Handlungsweisen, die typischerweise in ähnlicher Form und auf ähnliche Art wiederholt werden. Diese Verhaltensmuster können in verschiedenen Bereichen auftreten, zum Beispiel in der Kommunikation, sozialen Interaktionen oder Aktivitäten.

Eine der geläufigsten Formen des stereotypen Verhaltens ist das sogenannte “Stimming”, auch selbststimulierendes Verhalten genannt. Beim Stimming werden körperliche Bewegungen oder Handlungen mit dem Ziel der Regulation von Emotionen oder zur Bewältigung sensorischer Reize durchgeführt. Beispiele hierfür sind Handflattern, Kopfschlagen, Fingerflimmern, Schaukeln und Summen. Für Menschen mit Autismus ist dies oft eine wichtige Funktion zur Selbstregulation.

Während die stereotypen Verhaltensmuster also beruhigend oder selbststimulierend wirken können, können sie aber auch belastend sein und soziale Interaktion oder den Alltag beeinträchtigen.
Weitere Beispiele für stereotype Verhaltensweisen sind das ständige und zwanghafte Ordnen von Gegenständen in einer bestimmten Reihenfolge, das Wiederholen von Sätzen oder das Festhalten an sehr begrenzten Interessen.

Theory of Mind (ToM):

Die „Theory of Mind“ (ToM), auf Deutsch „Theorie des Geistes“, bezeichnet die Fähigkeit von Individuen, sich in die Gedanken, Gefühle und Perspektiven anderer Menschen hineinzuversetzen. Dabei ist es ein zentraler Aspekt der Theory of Mind, zu verstehen, dass andere Menschen eigene Gedanken, Überzeugungen, Wünsche und Absichten haben, die von den eigenen abweichen können. Diese Fähigkeit, die individuellen mentalen Zustände anderer Menschen zu greifen und zu interpretieren, fällt Betroffenen von Autismus-Spektrum-Störungen meist besonders schwer. Es ist sogar ein charakteristisches Merkmal von Autismus, kein intuitives Gespür für soziale und emotionale Hinweise aufzuweisen.

So können Menschen mit Autismus häufig Probleme bei der Interpretation von nonverbalen Signalen wie Mimik und Gestik haben. Implizite soziale Regeln werden häufig nicht verstanden. Gespräche in Gruppen fallen Betroffenen schwer, da sie beispielsweise oft nicht erkennen können, wann sie das Wort ergreifen sollen, wie tief sie ein Thema behandeln sollen etc.

Diese Schwierigkeiten mit der „Theory of Mind“ können zu Herausforderungen in der sozialen Interaktion führen. Der Aufbau von Freundschaften kann erschwert sein, und oft erscheinen gängige soziale Situationen rätselhaft.

Overload:

Autismus-Spektrum-Störungen gehen mit einer eingeschränkten Fähigkeit zur Filterung von äußeren Reizen einher. Der Begriff des “Overload”, auf Deutsch “Überlastung” bezeichnet eine exogene Reizüberflutung, welche bei autistischen Menschen auftreten kann. Dabei wird das Individuum von zu vielen sensorischen Reizen gleichzeitig überflutet. Ursachen können beispielsweise geräuschvolle Umgebungen, grelles Licht, intensive Gerüche oder ungewohnte Berührungen sein. Aber auch neue, unbekannte Umgebungen oder Situationen werden mit all ihren Details wahrgenommen, was schnell zu Überforderung führen kann. Deswegen bevorzugen Autistinnen und Autisten das Bekannte und mögen Veränderungen nicht.

Manchmal wird die empfundene Intensität oder Menge der Reize von den Betroffenen als so überfordernd wahrgenommen, dass diese den Reizen ausweichen wollen. Dies kann einen Meltdown oder Shutdown als Nachwirkung haben, welche im Folgenden beschrieben werden.

Meltdown:

Wie bereits erwähnt ist ein Meltdown (Deutsch: Niederschmelzen, Zusammenbrechen) eine Reaktion auf eine vorangegangene Reizüberflutung, wie sie im Overload geschieht. Aufgrund der Überreizung verlieren Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen während eines Meltdowns oft vorübergehend die Fähigkeit zur Selbstregulation. In der Folge kommt es zu reflexartigen Handlungen der Betroffenen, welche diese nicht kontrollieren können.

Ein Meltdown zeigt sich meist als ein impulsiver, emotionaler Ausbruch. Mögliche Symptome sind lautes Schreien, Weinen, Selbstverletzung und aggressive Verhaltensweisen gegenüber anderen. Menschen mit Autismus können während eines Meltdowns Hilfe und Unterstützung benötigen, um sich zu beruhigen und wieder in einen gelasseneren Zustand zu gelangen. Dabei ist es jedoch auf keinen Fall ratsam, die betroffene Person ungewollt zu berühren oder zurechtzuweisen.
Dem Meltdown kann ein sogenannter Shutdown folgen.

Shutdown:

Ein Shutdown (Deutsch: Stilllegen, Abschalten) ist, wie der Meltdown auch, eine Reaktion auf eine Überreizung der autistischen Person. Dieser Reflex kann direkt auf einen Overload folgen, aber auch als Folge eines Meltdowns auftreten. Während eines Shutdowns zieht sich die betroffene Person sehr stark zurück und kann inaktiv oder apathisch wirken. Die Kommunikationsfähigkeiten sind oft eingeschränkt, wobei es sogar zu einem vollständigen Mutismus (Stummheit) kommen kann. Aus der Sicht des Menschen, der einen Shutdown erlebt, wird die Umwelt sehr unwirklich und passiv wahrgenommen. In diesem Sinne kann auch die Wahrnehmung von Schmerzen verringert sein. In einer weniger extremen Ausprägung kann ein Shutdown auch als extreme Müdigkeit oder Schwäche wahrgenommen werden.

Während eines Shutdowns können Menschen mit Autismus Zeit zur Erholung brauchen, bis sie wieder in einen kommunikativen, belebteren Zustand zurückkehren. Die Unterstützung und das Verständnis der Umgebung sind in solchen Momenten besonders wichtig, um die Bedürfnisse der betroffenen Person zu respektieren und ihnen Raum zur Erholung zu geben.

Spezialinteresse:

Die Entwicklung eines Spezialinteresses oder mehrerer Spezialinteressen ist ein häufiges Merkmal für Asperger-Autismus. Oft wird es unter stereotype Verhaltensweisen gezählt, da es ein sehr intensives, überdauerndes Interesse umschreibt. Charakteristisch für ein Spezialinteresse ist es, dass dieses auf einen Teilaspekt eines größeren Themas begrenzt ist und dass sich mit diesem Aspekt sehr tiefgreifend und detailreich befasst wird.Dabei können sich Spezialinteressen von Person zu Person stark unterscheiden und reichen von Naturwissenschaften und Technologie über Geschichte, Kunst und Musik bis hin zu spezifischen Sammelgebieten oder Hobbys. Jede Thematik kann also zum Spezialinteresse einer autistischen Person werden.

Spezialinteressen können unter anderem als eine Form der Stressreduktion dienen, da sie Menschen mit Autismus ein Gefühl von Kontrolle und Sicherheit in einer oft als überreizend empfundenen Welt bieten. In diesem Sinne ist es wichtig zu beachten, dass diese Interessen nicht zwangsläufig schädlich oder problematisch sind. Sie können positive und bereichernde Elemente im Leben von Menschen mit Asperger-Autismus darstellen und in Bildung, Beruf und Freizeit sinnvoll genutzt werden.

In unserer Praxis bieten wir eine differenzierte Diagnostik von Autismus-Spektrum-Störungen bei Erwachsenen an. ​
Weitere Informationen zum Thema Autismus finden Sie hier:
Autismus-Sprechstunde
Frauen im Autismus-Spektrum

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